Darum fehlen Frauen in den Top-Positionen

Rund die Hälfte der Erwerbsbevölkerung mit Hochschulabschluss in der Schweiz ist heute weib- lich. Trotzdem leisten Frauen mit Hochschulabschluss deutlich weniger als die Hälfte der Arbeitsstunden. Auch Führungspositionen nehmen sie weniger häufig ein. Warum ist das so? Und kann man das ändern?

Der Verband der Freien Berufe ist in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Sotomo diesen Fragen nachgegangen.

Wie sieht es überhaupt mit dem Ausbildungsniveau aus?

Das Ausbildungsniveau der Frauen steigt. Hielten 2011 nur 18% einen Abschluss auf der Tertiärstufe A (ETH, Uni, FH, PH), waren es 2019 schon 29% und damit praktisch gleich viele wie bei den Männern.

Auch auf der Tertiärstufe B (HF, DP, FA) schmolz der Unterschied in der gleichen Zeitspanne, allerdings haben die Männer dort noch immer deutlich die Überhand.

Wie hoch ist die Erwerbsbeteiligung der Frauen?

Die Erwerbsbeteiligung der Frauen hat in den letzten Jahren zugenommen. Wiesen Frauen mit einem Hochschulabschluss 2011 eine durchschnittliche Erwerbsbeteiligung (Anstellung in Prozent) von 59% aus, waren es 2019 63%. Bei den Männern blieb die Erwerbsbeteiligung im gleichen Zeitraum praktisch unverändert.

Allerdings ist der Unterschied noch immer gross. Obwohl etwas gleich viele Männer und Frauen innerhalb der Erwerbsbevölkerung einen Hochschulabschluss haben, leisten hochqualifizierte Frauen aufgrund der oft tieferen Stellenprozente nur 40% des Arbeitsvolumens auf dieser Stufe.

Warum haben die Frauen eine tiefere Erwerbsbeteiligung?

Es klingt gemein, aber der Nachwuchs ist wohl schuld. Oder die noch längst nicht idealen Rahmenbedingungen bei der Arbeit. Und zu Hause. Dazu später mehr.

Während der Unterschied bei der Erwerbsbeteiligung in der Altersgruppe von 25 bis 29 Jahren nur geringfügig unterschiedlich ist, geht die Schere danach auf. Männer erreichen fast 90%, Frauen sinken auf 60%. Die Jahre zwischen 30 und 50 sind für viele die Zeit der Familiengründung und die Phase, in der die Kinder noch nicht selbstständig sind.

Auffallend ist aber auch: Nach der «Kleinkinderphase» erholt sich die Erwerbsbeteiligung bei den Frauen nur leicht (und die Organisation wird ja auch selten unkomplizierter, wenn die Kids in die Schule kommen, z.B. wegen fehlender Ganztagsschulen oder der Herausforderung von 13 Wochen Schulferien).

Wie wirken sich Unterbrechungen aus?

Das führt natürlich zur Frage: Wie wirken sich längere Erwerbsunterbrechungen auf die Karriereplanung aus? Klare Antwort: Über 80 Prozent der Männer und Frauen sehen darin eine mindestens «eher negative» Folge. Der Anteil derjenigen, die die Pause mindestens « eher positiv » sehen, ist winzig, bei 1% der Frauen und 4% der Männer.

Warum wird nicht mehr gearbeitet?

Doch zurück zur tiefen Erwerbsbeteiligung. Was sind denn die Gründe dafür, dass Männer und Frauen, die weniger als 80 Prozent arbeiten, eben kein höheres Pensum wollen?

Hier zeigen sich deutliche Unterschiede: Männern ist ihr Freizeit- und Erholungsbedürfnis wichtig, Frauen dagegen geben in vier von fünf Fällen die familiäre Situation an (nicht durch Daten dieser Studie gestützte Annahme: Frauen hätten auch gerne mehr Freizeit und würden sich erholen, aber finden, die Familie geht vor).

Warum wird nicht mehr Verantwortung übernommen?

Ein ähnliches Bild zeigt sich, warum ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin nicht mehr Verantwortung im Unternehmen übernimmt. Beiden Geschlechtern fehlt es primär an der nötigen Förderung des Arbeitgebers. Dahinter folgt bei den Männern der Zeitpunkt der Karriere.

Bei den Frauen dagegen ist die Vereinbarkeit mit der Familie nicht möglich und ein höheres Pensum wäre nötig, was viele nicht leisten können oder möchten. Während fast jede dritte Frau diese zwei Gründe angibt, trifft dies nur auf rund einen von zehn Männern zu:

Welche Anreize würden nützen?

Aber was könnte die Situation denn entscheidend ändern? Auch hier sind die unterschiedlichen Ansichten zwischen Männern und Frauen, die weniger als 80 Prozent arbeiten, deutlich.

Während Männer die genannten Anreize kaum ködern, würden viele Frauen mehr arbeiten, würde dies die familiäre Situation zulassen. Mit anderen Worten: Arbeiten Männer unter 80 Prozent, ist dies meist selbst gewählt, bei Frauen spielen ungünstige Rahmenbedingungen dagegen eine viel grössere Rolle.

Was an der Arbeitsstelle wichtig ist

In vielen Punkten einer Meinung sind sich Männer und Frauen in freien Berufen bei der Frage, was an der Arbeitsstelle wichtig ist. «Selbstbestimmtes Arbeiten» ist hier für beide das Hauptkriterium. Doch danach zeigt sich wieder, dass Frauen viel öfter die Familie auch noch unter einen Hut bringen müssen. So halten deutlich mehr Frauen als Männer flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit für essentiell, Männer dagegen wollen vor allem Führungsaufgaben erledigen können.

Was wirkt sich positiv/negativ auf die Vereinbarkeit aus?

Das alles bringt uns immer wieder zur Frage: Was wirkt sich positiv auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus? Die Antworten darauf sind eindeutig: Möglichkeit zur «Teilzeitarbeit» und «Homeoffice» werden hier deutlich am meisten genannt.

Was wäre für eine bessere Vereinbarkeit hilfreich?

Männer und Frauen sehen bei Massnahmen für bessere Vereinbarkeit unterschiedliche Punkte als wichtig an. Oder besser gesagt: Frauen scheinen sich deutlich mehr damit zu beschäftigen. So würde nach Ansicht von zwei Dritteln der Frauen eine «geteilte Verantwortung für Haushaltsorganisation / Kinder» den grössten Einfluss haben. Dies wiederum hält aber nur einer von drei Männern für einen wichtigen Punkt.

Ähnlich sieht es mit den immer noch verbreiteten Rollenbildern aus. Nur rund halb so viele Männer wie Frauen sehen darin einen der Punkte, warum in der Schweiz auch im Jahr 2021 Familie und Beruf noch schwierig zu vereinbaren sind.

Source: die Studie des Schweizerischen Verband Freier Berufe, durchgeführt von Sotomo, sowie watson.ch

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