Mein Baby ist nicht hässlich!

Kennen Sie das? Die Sache mit den Baby-Fotos? Meinen Erstgeborenen haben wir nach einem Foto im Alter von etwa einem Monat « Herr Grigat » genannt, da er, halslos, mit Glatze und grünem Rautenpulunder irgendwie weniger wie ein schnuckliges Baby als wie ein mittelalter, stämmiger Industrieller aussah. Fehlte nur die Zigarre im Mund. Wir hatten ihn trotzdem lieb (den Erstgeborenen, nicht den echten Herrn G.).

Jonas Ratz, der sich regelmässig auf die Spiegel Online Elterncouch legt, hat gerade versucht, Fotos seiner zwei Monate alten Tochter für die Geburtstanzeige zu machen. Ein Erfahrungsbericht.

Knips: Augen zu. Knips: Es schielt. Knipsknips: Windel voll. Elterncouch-Kolumnist Jonas Ratz will nicht viel, nur ein verdammtes Babyfoto für die Geburtsanzeige. Doch es klappt nicht. Liegt es am Fotografen? Oder am Motiv?

Damit das klar ist: Elisa ist nicht hässlich, im Gegenteil. Es gibt keinen anderen Menschen im Alter von zwei Wochen, der bei mir mit einem einzigen (angedeuteten) Lächeln mehr Gänsehaut verursacht. Niemand sonst rührt mich mit nur einem Blick zu Tränen, wenn er mich nach einer durchwachten Nacht etwas schief anguckt. Keine andere Person trage ich lieber nachts um halb vier durch das Wohnzimmer. Und überhaupt: diese dunklen Haare, schon richtig viele. Diese tiefdunklen blauen Augen. Und erst die zarten Finger! Kurz: Für mich ist Elisa so schön wie ein Frühlingsmorgen.

Das Problem ist nur: Versuche ich, diesen Frühlingsmorgen zu fotografieren, schlägt das Wetter plötzlich um. Und es ist November. Wenn ich Glück habe, hat Elisa überhaupt die Augen auf. Und gerade mal nicht die Windel voll. Aber selbst dann fällt mir beim Blick auf das Display auf: Es ist verdammt schwer, ein gutes Foto von einem Baby zu machen.

Es hilft nicht, mir etwas vorzumachen: Auf den meisten Fotos sieht Elisa ein bisschen aus wie ein Maulwurf. Nur mit ausgeprägt roter Gesichtsfarbe und deutlichem Doppelkinn. Ja, ich weiß, nie von unten fotografieren, aber Babys sind nicht sonderlich gut darin, auf Regieanweisungen zu reagieren. Meistens macht Elisa zumindest nicht das, was ich ihr vorschlage. Sondern eher das Gegenteil.

Ich bette sie auf das Kissen, sie sackt in sich zusammen. Ich kaspere rum, sie kneift die Augen zu. Ich mache knips, sie macht pups. Eine Herausforderung. Was mich tröstet: Ich bin nicht allein. Auch die Profis haben mit Babys ihre liebe Not.

Auf der Website einer professionellen Fotografin, die sich auf Geburtsanzeigen spezialisiert hat, habe ich eine Galerie unfreiwilliger Skurrilitäten gefunden. Denn gerade weil Babys in der Regel selten lächeln oder auch nur ansatzweise nett gucken, bringt die Fotografin umso verschwenderischer allerlei Accessoires zum Einsatz.

Teddys zum Beispiel. Gern auch größer als das Baby selbst, was nicht einer gewissen Komik entbehrt. Ist das der Vater? Oder Blumen: Großzügig streut sie vor der weißen Studiokulisse Rosenblätter oder ganze Tulpen über die meist schlafenden Babys. Im besten Fall sieht das extrem kitschig aus. Im schlechtesten Fall denkt der Betrachter, das Kind sei tot. Herzliches Beileid statt Happy Birthday, und das soll auf die Geburtsanzeige?

Am Ende ist es ohnehin egal, ob Elisa auf dem Foto die Augen zukneift oder ihre Frisur gerade perfekt sitzt. Sagen zumindest Forscher von der Universität Yale. In einem – zugegeben recht seltsamen – Experiment haben sie junge Eltern mit Luftpolsterfolie ausgestattet. Sie wissen schon, die mit den Luftkammern zum Kaputtmachen. Dann zeigten sie den Probanden Fotos. War ein Babyfoto an der Reihe, knallten und knisterten die Eltern, als gäbe es kein Morgen. Dabei war es noch nicht mal ihr eigenes.

« Cute Aggression » haben die Forscher dieses Phänomen getauft, eine Übersprungshandlung, weil wir nicht wissen, wohin mit uns vor lauter Entzücken über all diese Kindchenschema-Babys mit Niedlichkeitsfaktor 100. Und dann noch dieser Hormoncocktail: Auch ich bin wohl noch immer schwer auf Oxytocin. Und so entdecke ich an Elisa täglich neue Schönheiten.

Schließlich ist kein Frühlingsmorgen gleich.

Zum Autor und zur Quelle: Jonas Ratz schreibt regelmässig für die Spiegel Online Elterncouch (da haben wir auch diesen Artikel gefunden) und ist gerade zum 3. Mal Vater geworden.

X