Zum Geburtstag kommt der Zahlenkasper

Die Eltern wollen höchstens acht, der Sohn mindestens zwölf, dabei wird er erst fünf: Die Gästeauswahl für den Kindergeburtstag folgt einer eigenen Arithmetik. Und die hat ihre ganz speziellen Gesetze.

Ein Beitrag von der Spiegel Online Elterncouch.

Oliver wird bald fünf Jahre alt. Also, « bald » ist relativ, es dauert noch ein paar Monate. Aber in der Welt eines Vierjährigen ist der Begriff « bald » ebenso dehnbar wie « gleich » – im Sinne von « geh jetzt gleich ins Bett » oder « räum jetzt gleich dein Zimmer auf ».

Bald also ist Kindergeburtstag. Und ähnlich wie man bei Hochzeiten möglichst drei Jahre im Voraus die Location bucht und die Einladungen verschickt, geht es bei uns seit Wochen nur um die Gästeliste: Sollen jetzt auch Marcel und Ella aus der Maikäfer-Gruppe eingeladen werden? Und was ist dann mit Johannes? Nein, der nicht, jedenfalls nicht, solange Oliver nur acht Kinder einladen darf.

Führende Experten in internationaler Kindergeburtstagspsychologie raten ja streng dazu, die Zahl der Gäste nach dem Alter des Geburtstagskindes zu richten. Ein Fünfjähriger dürfte demnach maximal fünf Gäste haben.

Die Eltern versuchen es mit Diplomatie
Wenn es nach Oliver geht, sind wir bei zwölf. Und dabei hat er Nele, die Tochter eines befreundeten Paares, die er Silvester, als sie zusammen in einem Zimmer übernachtet haben, noch heiraten wollte, nicht mal mitgezählt. Die hat allerdings ihn zu ihrem Geburtstag eingeladen. Sie ahnen das Dilemma.

Meine Frau Jana hat in dieser Sache die diplomatische Führung übernommen. Um den gordischen Knoten – mehr als acht Kinder geht wirklich nicht, meinen wir, weniger als zwölf geht wirklich nicht, meint Oliver – zu lösen, versucht sie sich in repetitiver Reflexion, einer in Konsularkreisen beliebten Strategie. « Sag mal, Oliver, wen willst du denn jetzt eigentlich zu deinem Geburtstag einladen? », fragt sie ihn gefühlt jeden zweiten Tag. Olivers Antworten variieren je nach Tagesform leicht. Mal ist Ella dabei, mal Marlene, immer Konrad, aber nie Nele.

Immerhin müssen wir dieses Mal nur mit kleinen Gästen rechnen. Bei Olivers drittem Geburtstag kam meist das eingeladene Kind plus komplette Familie – Vater, Mutter, Geschwisterkind, entfernte Tanten. Die galt es – und, um ehrlich zu sein, das war die eigentliche Herausforderung des Tages – möglichst rasch mit Kaffee (« Och, ich nehm’ ‘nen Cappuccino mit Milchschaum. Aber bitte Sojamilch! ») und Kuchen (« Habt ihr auch was ohne Gluten? ») zu versorgen und nebenbei ein angeregtes Gespräch zu führen. (« Ja, dein neuer Job öffnet dir da sicher ganz neue Perspektiven. »)

Nicht einfach. Die meisten der anwesenden Erwachsenen hatte ich bis zu diesem Tag noch nie gesehen. Und jetzt saßen sie an unserem Esstisch und plauderten über Geburtsschmerzen oder gerade überstandene Krankheiten, als wären wir seit Jahren enge Freunde. Nun, Kinder verbinden. Und ich pflege in solchen Situationen ja eine ganz ähnliche Strategie und rede meistens zu viel als zu wenig.

Ein Jahr später, zu Olivers viertem Geburtstag, kamen dann übrigens alle Kinder ohne Eltern. Bei dreien hatten wir einen Notfall-Rucksack (« Da ist ein Schnuller und sein Lieblingskuscheltier drin. Aber nur, wenn er sich gar nicht beruhigen lässt ») und bei allen die Notfall-Handynummer – wenn was ist. Aber was sollte schon sein? Man muss in so eine Situation gehen wie ein Tigerdompteur. Wenn der in den Käfig steigt und Angst hat, wittern das die Tiger sofort. Dann hat er schon verloren. Kinder sind da ganz ähnlich.

Und so zogen Jana und ich routiniert unser Dreistundenprogramm durch: Kuchen, Kakao, Spielen, Musik und Tanzen, Kinder anziehen, Schatzsuche draußen, Kinder ausziehen, Würstchen mit Kroketten, Ende der Veranstaltung. Allein das An- und Ausziehen der Kinder – Oliver hat im Januar Geburtstag – hat konservativ geschätzt eineinhalb Stunden gedauert. Und so vergeht ein Kindergeburtstagnachmittag wie im Flug. « Können wir dieses Jahr wieder eine Schatzsuche machen? », fragt Oliver. Aber natürlich. Du wirst deinen Schatz schon finden. Irgendwann. Und vielleicht ist es ja Nele.

Zum Autor:

Jonas Ratz,
Vater von Frederik (sieben Jahre), Oliver (vier Jahre) und Elisa (sechs Monate)

Liebstes Kinderbuch: « Wo die wilden Kerle wohnen » von Maurice Sendak (Oft habe ich das Gefühl: bei uns zu Hause…).

Nervigstes Kinderspielzeug: mein Smartphone

Erziehungsstil: Erziehung ist das, was passiert, während man daran scheitert, ein Vorbild zu sein.

Sammelt: Kinderworte. Hafersocken statt Haferflocken, Sambalamba statt Salamander. Kennen Sie auch solche kreativen Abwandlungen? Schreiben Sie an kinderworte@spiegel.de.

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